Statistik und Dunkelziffer

In den letzten Jahren zeichnet sich im Bundeslagebild Menschenhandel eine klare Tendenz ab: Immer mehr Betroffenen von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in Deutschland gaben an, durch die Loverboy-Masche zur Prostitution gezwungen worden zu sein*. 

Bei den erfassten Daten handelt es sich allerdings nur um abgeschlossene Vermittlungsverfahren, die aufgrund der aufgegebenen Anzeigen überhaupt ermittelt werden konnten. Die Dunkelziffer wird weitaus höher eingeschätzt. 

Taten im Dunklen: Warum ist die Dunkelziffer so hoch? 

Aber was bedeutet das überhaupt? Die Dunkelziffer gibt eine Einschätzung ab, wie viele Fälle es eigentlich gibt, die in der Statistik nicht erfasst werden konnten. Gerade bei der  Loverboy-Masche wird diese von Expert*innen sehr hoch geschätzt. 

Viele Betroffene zeigen ihren Loverboy nicht an - Das hat unterschiedliche Gründe: 

  • aus Angst vor ihm und dem, was er machen könnte (z.B. dass er Videos von ihr beim Sex mit Freiern online stellt)

  • aus Scham, denn sie denken sie hätten sich ja freiwillig für die Ausübung der Prostitution entschieden und seien daher selbst an ihrer Situation Schuld. Sie erkenne nicht, dass der Loverboy sie getäuscht und manipuliert (psychische Gewalt) sowie sexuell ausgebeutet hat 

  • weil sie ihn noch immer lieben und ihn schützen wollen

  • weil sie nicht glauben können, dass wirklich alles eine Lüge war

  • weil sie meistens traumatisiert sind

Betroffene der Loverboy-Masche werden über eine lange Zeit immer wieder traumatischen Erlebnissen ausgesetzt. Traumafolgen können das Leben Betroffener auch nach dem Ausstieg langfristig beeinträchtigen. Ein Prozess ist für die Betroffenen höchst anstrengend und nicht selten retraumatisierend. Die traumabedingten Verhaltensweisen werden dann oft gegen die Betroffene ausgelegt, z.B. wenn die Betroffene durch das Trauma, Teile ihrer Geschichte vergisst und somit verschiedene Aussagen macht. So wird es noch schwieriger, Loverboys zu verurteilen und Gerechtigkeit für Betroffene zu erwirken. 

So bleiben die Zahlen in der Statistik klein, obwohl die Realität eine ganz andere ist. 


*Quelle:

Bundeskriminalamt; Bundeslagebild Menschanhandel und Ausbeutung 2017, 2018, 2019, 2020 (aufgenommene Opfer: 2017: 127; 2018: 72; 2019: 81; 2020: 99)